• "Peter Truschner gehört zu jener aussterbenden Künstlerspezies, die stets aufs Ganze gehen muss." ***** Frankfurter Allgemeine Zeitung

  • "A powerful use of image and poetry." ***** Roger Ballen, Photographer

  • "Terribly beautiful and fascinating" **** Richard Mosse

  • "Peter Truschner schont in seinen Texten über eine Welt, in der es um den Preis und nicht um den Wert einer Ware, der Arbeit oder des Lebens geht, weder sich noch den Leser." ***** Stefan Gmünder, Der Standard

  • "Peter Truschner belongs to the almost extincted sort of artists who always have to go all out." ***** Frankfurter Allgemeine Zeitung

  • "A great amount of good photography." ***** Myrto Steirou, VOID

  • "Peter Truschner ist nicht nur ein wacher und sensibler Beobachter, sondern ein Erlebender des Wahnsinns, der um uns herum geschieht." ***** Martin Kusej, Burgtheater Wien

  • "Ist das immer schon so gewesen, dass man eines Tages hinter seinem warmen Ofen hervorgeholt und an den Haaren ans Ufer gezerrt und in die kalten Betriebsfluten getaucht und getauft wurde im Namen des Geschäfts?" ***** aus: Im Namen des Geschäfts

Copyright 2024 - Peter Truschner - All rights reserved // „Peter Truschner gehört zu jener aussterbenden Künstlerspezies, die stets aufs Ganze gehen muss.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

Essays

 

Woran das Burgtheater wirklich krankt


Eine Bestandsaufnahme von Peter Truschner


Mathias Hartmann hat die Auswirkungen der auf ihn bezogenen üblen Nachrede auf seine Kinder beklagt. Also erspare ich mir, verbürgte Aussprüche zu zitieren, die Auskunft darüber geben, mit welcher Verachtung Hartmann zum Beispiel über Autoren spricht - die Kinder sollen schließlich nicht ständig Unangenehmes über ihren Vater zu lesen bekommen. Ich schicke das deshalb voraus, damit nicht der Eindruck entsteht, ich würde etwas Gutes am fristlos entlassenen Intendanten finden oder mich gar dazu genötigt fühlen, ihn zu verteidigen.
Dennoch ist es im Sinne einer sachlichen Analyse des Burgtheater – Dilemmas wichtig festzustellen, dass die Art und Weise, wie die Fehlentwicklungen an der Burg Hartmann persönlich und ursächlich angelastet werden, lächerlich und schlicht unwahr ist.
Der Name, der zuerst mit dem langsamen, aber steten Abstieg des Burgtheaters in Verbindung zu bringen ist, lautet nicht Mathias Hartmann, sondern Klaus Bachler.
Die Ära Claus Peymanns ist geprägt von einer beispiellosen gesellschaftlichen Relevanz und Brisanz des Burgtheaters. Peymann schafft das, indem er den Medien ein Spektakel bietet, sich verbal und programmatisch in Szene setzt, dass es einer politischen Intervention gleichkommt. Gleichzeitig arbeitet er mit Hermann Beil akribisch am Alleinstellungsmerkmal der Burg– die Tatsache, dass es gewisse Inszenierungen und eine enge Zusammenarbeit mit für die Gegenwart prägenden Autoren in Kombination mit einem brillant aufgestellten Ensemble so nur an der Burg zu sehen gibt. Wer wissen will, was in der Gegenwart Sache ist, muss gefälligst anreisen, sich die Stücke ansehen und in den endlosen Diskussionen um die Burg Stellung beziehen.
Die Ära Bachler hat der gesellschaftlichen Relevanz und dem Alleinstellungsmerkmal des Burgtheaters unaufgeregt den Garaus gemacht. Böse Zungen behaupten, das sei schließlich das, wofür Bachler von der Politik geholt wurde. Das ist eine Unterstellung, der es gar nicht bedarf. Bachler ist der netzwerkintensive, unsentimentale Kulturmanager neuen Typs. Für ihn war das Burgtheater von Anfang an nur eine Station auf dem Weg zu seiner nächsten Station. Im Gegensatz zu Claus Peymann hat er die Burg nicht gestaltet, sondern nur verwaltet – ein smarter Makler, der Luxusimmobilien exquisit mit lebendem Inventar auszustatten und zu bespielen weiß. Wie der Burgherr, so das Burggscherr. Die Burg wurde zu einem Durchhaus, zu dem die ausgewählten Vertreter des Regietheaters von ihrer letzten Arbeit am Hamburger Thalia Theater anreisten, um zu ihrem nächsten Projekt ans Deutsche Theater Berlin abzureisen. Dieses Theaternomadentum im Zeichen üppiger Regiehonorare hat die Burg endgültig zu einem Theater unter vielen gemacht, es kam einem Glückstreffer gleich, ob die Regisseure auf ihrer Theater-Tour bei ihrem Halt an der Burg mehr oder aber weniger gut drauf waren. Ungeachtet einiger Glanzlichter wie Martin Kusejs „Weibsteufel“ fiel das Ergebnis einfach zu oft bescheiden aus, was im gegenwärtigen Stadttheatersystem jedoch keine Rolle spielt, da das von Steuergeld finanzierte Honorar so oder so ausbezahlt wird, gleichgültig, ob man eine relevante Leistung erbracht hat oder nicht. Die (überwiegend männlichen) Vertreter dieses Systems gehorchen der Logik des Theater - Schwanzvergleichs: Viele Inszenierungen, viel Geld, hoher Status. Getarnt wird das zumeist mit dem üblichen Theaterkitsch: Der Mann brenne eben für das Theater, er sei überhaupt nur im Theater und auf der Probe zu Hause, er könne auf all den Wohlstand mit einem Lächeln verzichten. Schluchz, seufz!
Am Ende der Ära Bachler war die Burg nicht Fisch, nicht Fleisch. Es hätte als Nachfolger eines Direktors oder einer Direktorin bedurft, die sich zum Ziel hätten nehmen müssen, das Theater wieder gemäß seines Potenzials aufzustellen und verloren gegangenes Terrain – etwa an die Münchener Kammerspiele - zurückzuerobern. Stattdessen hat man mit der Wahl von Mathias Hartmann den Bock zum Gärtner gemacht, der in seiner Selbstbesoffenheit und der damit einhergehenden Selbstbereicherung dem Burgtheater trotz gesteigerter Auslastung erst recht nicht gedient hat.
Dass das Burgtheater in einer finanziellen, ästhetischen und gesellschaftlichen Luxusverwahrlosung vor sich hin dümpelt, ist nicht allein Bachler oder Hartmann, sondern in Wahrheit allen anzulasten, die in Wien direkt mit dem Theater zu tun haben. Der Intendanz, der es zuallererst um die Befriedigung der eigenen Eitelkeit (und der eigenen Brieftasche) geht; den Schauspielern, die zum Teil viel zu wenig unter der künstlerischen Unterforderung der letzten Jahre gelitten und sich damit begnügt haben, sich an der Rampe in der Gunst des Wiener Publikums zu suhlen; dem Publikum wiederum, das einerseits euphorisch und treu, andererseits unendlich träge ist und jeder Neuerung, jeder Irritation des Gewohnten feindlich gegenübersteht; dem behäbigen Theaterbetrieb, der, statt flachere Hierarchien wie in international erfolgreichen Kreativunternehmen zu schaffen, althergebrachte, steile Hierarchien konserviert - erst recht im hofstaatlich geprägten Wien, wo jede Form von Kulturbetriebssport sich zuallererst in Kunstfiguren wie der doppelten Schleimrolle und dem eingesprungenen Bückling ergeht; schließlich der Politik, die in Bezug auf das Theater zumeist das tut, was ihr am liebsten ist – nämlich nichts. Die Burg gilt als ein Selbstläufer wie der Opernball, sich Gedanken um ein nachhaltiges Konzept zu machen, erscheint unnötig und ist außerdem mit einem gewissen Aufwand an Arbeit und Innovation verbunden, der nicht wirklich ein Markenzeichen österreichischer Kulturpolitik ist.
So viele haben das Burgtheater zur Mehrung des eigenen Glanzes im Mund geführt, geradezu zur nationalen Angelegenheit erklärt, in Wahrheit aber mehr von ihm genommen, als sie ihm gegeben haben. Wer immer auf die gegenwärtige Interimsdirektion folgt: Er oder sie sollte mit aller Macht daran arbeiten, das Profil der Marke „Burgtheater“ wieder zu schärfen, es behutsam, aber konsequent an die einstige Spitze heran zu führen - eine aktionistische Sparpolitik ist dabei übrigens wenig von Nutzen. Die Burg hat auf dem Sektor Kultur das Zeug zu einer österreichischen Weltmarke, die man jedoch genauso konsequent gestalten muss wie Swarovski oder Red Bull. Auf dem Weg dahin muss klar sein: nicht irgendwelche Regisseure oder Schauspieler, sondern das Burgtheater ist der Star. Es wird noch in Tokio oder New York im Mund geführt werden, wenn all die Namen, die heute im Umlauf sind, längst verblasst sind.

 

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