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Das fünfunddreißigste Jahr
Roman.
Zsolnay Verlag, Wien 2013.
„Seit ich die Augen geöffnet hatte, fand ich mich eingeschweißt in eine dumpfe Lärmhülle. Ein Brummen, das nichts als das Brummen meines Schädels war, sich jedoch wie ein Brummen aller Dinge anfühlte, die sich um mich herum befanden. Ein Brummen der Couch, der Stereoanlage, des Teppichbodens, der Fenster. Alle diese Objekte schienen durch unsichtbar schwingende Fäden miteinander verbunden zu sein. Ich begab mich schwankend auf die Suche nach dem Badezimmer. Aber auch das Aufdrehen des Wasserhahns und das Eintauchen der Hände und des Gesichts in kaltes Wasser bereiteten dem Brummen kein Ende. Wie auch? Schließlich brummte es in mir selbst. All jene Teile meines Körpers, die ich entweder über die Maßen strapazierte - Leber, Lunge, Blase, Herz - oder aber sträflich vernachlässigte - Haare, Sehnen, Muskeln, Nägel, Zähne - hatten sich zu einem Chor zusammengetan. Gemessen am Schweigen, das ihnen sonst zukam, veranstalteten sie einen Höllenlärm.“
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Nove Vecernice
Geschichten aus Kärnten/Koroska.
Drava Verlag, Klagenfurt 2004.
„Die Anzugjacke ist von Mottenlöchern übersät, andere Kleidung, die dem Anlass angemessen wäre, gibt es nicht. Umgehend macht sich Enttäuschung breit. Kurz steht zu befürchten, dass jemand Großvaters Stock hervorholt und damit auf ihn eindrischt. Doch nichts dergleichen: Er wird einfach auf den Boden fallengelassen.“
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Hitze
Ausgewählte Gedichte.
Literatur und Kritik 421, Otto Müller Verlag, Salzburg 2008.
„eigentlich möchte ich gerne/ goldwerden und meinem Aderfluss/ dabei zusehen wie er versiegt und/ hart wird und härter/ zuallererst aber muss ich mein/ Gesicht verbergen weil ich ganz/ rot bin vor Scham dass mein Körper/ so viel Zeit mit Grünwerden/ vertut dass da wo mir die Haare/ ausfallen Zweige und Blätter/ nachwachsen und ich langsam/ zum Menschengebüsch werde mit/ Blüten lichtsüchtig und/ blauer noch als blau“
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Das Testament der Materie
Kai Kuss (Fotografie), Peter Truschner (Text), Club Paradiso.
Fotohof Edition, Salzburg 2004.
„Ob Kuss uns Tiere in der Stadt zeigt, die wie Schatten von Menschen wirken, oder die Schatten von Menschen, die sich einander anbieten wie verpisste Körperblumensträuße, um danach sexuelle Handlungen zu begehen wie sexuelle Begräbnisse: In der perspektivischen Verlorenheit seiner Fotografien findet sich kein Hinweis darauf, was menschlich ist und ob Fliegen, die sich fortpflanzen, menschlicher sind als Wölfe, die ständig Hierarchien durchspielen, ob verlassene Zweckbauten mehr vom Menschlichen verraten als explodierende Interieurs.“
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